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Auf Reisen gehen

KHM 143

Ein Märchen der Gebrüder Grimm

Auf Reisen gehen

Zeit: 3'

Es war einmal eine arme Frau, die hatte einen Sohn, der wollte so gerne reisen. Da sagte die Mutter: "Wie kannst du reisen? Wir haben ja gar kein Geld, das du mitnehmen kannst." Da sagte der Sohn: "Ich werde mir schon helfen, und werde immer sagen: Nicht viel, nicht viel, nicht viel!"

Da ging er nun eine gute Zeit dahin und sagte immer: "Nicht viel, nicht viel!" Kam er zu einigen Fischern und sagte: "Gott helf euch! Nicht viel, nicht viel, nicht viel!" - "Was sagst du, Kerl, nicht viel?" Und als sie das Fischergarn (Netz) herauszogen, kriegten sie auch nicht viele Fische. Einer der Fischer ging daraufhin mit einem Stock auf den Jungen los und sagte: "Jetzt sollst du mal deine Dresche sehen!" und verdrosch ihn jämmerlich.

"Was soll ich denn sagen?" fragte der Junge. "Du sollst sagen: Fang voll, fang voll!"

Da ging er wieder eine Zeitlang und sagte: "Fang voll, fang voll," bis er an einen Galgen kam, wo gerade ein armer Sünder gerichtet werden sollte. Da sagte er: "Guten Morgen, fang voll, fang voll." - "Was sagst du, Kerl, fang voll? Soll es denn noch mehr böse Leute in der Welt geben? Ist das noch nicht genug?" Und er kriegte wieder etwas auf den Buckel drauf. "Was soll ich denn sagen?" - "Du sollst sagen: Gott tröste die arme Seele."

Der Junge ging wieder eine ganze Zeit und sagte: "Gott tröste die arme Seele." Da kam er an einen Graben, da stand ein Schinder (Abdecker), der zog einem Pferd die Haut ab. Der Junge sagte: "Guten Morgen, Gott tröste die arme Seele!" - "Was sagst du da, dummer Kerl?" sagte der Schinder und schlug ihm mit seinem Schinderhaken eins hinter die Ohren, daß er nicht mehr aus den Augen sehen konnte. "Was soll ich denn sonst sagen?" - "Du sollst sagen: da liegt das Aas im Graben!"

Da ging er wieder weiter und sagte immerzu: "Da liegt das Aas im Graben! Da liegt das Aas im Graben!" Dann kam er zu einem Wagen voll Leute, und sagte: "Guten Morgen! Da liegt das Aas im Graben!" Da fiel der Wagen um in einen Graben, der Knecht kriegte die Peitsche her und verbläute den Jungen so, daß er zu seiner Mutter heimkriechen mußte. Und er ist sein Lebtag nie wieder auf Reisen gegangen.

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